Bierkultur, Wissen
Die Geschichte
des Bieres
Prost, ihr Götter!
Etwa 6.000 Jahre. So alt ist die beste „Erfindung“ der Welt. Bier ist nach allem, was wir heute wissen, tatsächlich das älteste von Menschenhand hergestellte Getränk und erfreute sich schon lange vor Wein größter Beliebtheit – vor allem als Opfergabe für die Götter. Und das nicht nur in den vermeintlich klassischen Bierländern in Europa. Kein anderes Getränk ist weltweit so verbreitet wie Bier. Doch wer hat’s erfunden?
Sorry, Gambrinus!
Im Volksmund gilt Gambrinus als Erfinder des Bieres. Der legendäre König der Germanen soll Isis, die ägyptische Göttin der Fruchtbarkeit, geheiratet haben und von ihr das Brauereihandwerk zunächst erlernt und dann seine Kunst verbreitet haben. Vermutlich war es aber doch eher ein Versehen: Ein stehen gelassener Brotteig, der durch die mit dem Wind verteilten Hefen vergoren war und berauschend schmeckte. Klar, dass man so etwas den Göttern nicht vorenthalten durfte.
Zumindest weisen Bilder und Keilschiften der Sumerer vor immerhin mehr als 6.000 Jahren darauf hin. Aus dem Zweistromland gibt es genaue Aufzeichnungen, wie dieser Prozess der Vergärung bewusst herbeigeführt und damit ein Getränk für Götter und Könige hergestellt wird. Und weil sich Götter und Könige wohl schnell langweilen, gab es schon zu dieser Zeit an die zwanzig verschiedene Biersorten.
Folglich ist Bier auch sehr früh in die Weltliteratur eingegangen: Im Gilgamesh-Epos, das 2.000 v. Chr. entstanden ist, ist es der Genuss von Bier, der maßgeblich zur Menschwerdung beiträgt. Aus dem zottigen, wilden Urmenschen Enkidu macht es einen – zumindest für damalige Verhältnisse – modernen, kultivierten Menschen. Heutzutage ist es oft anders herum.
Babel Premium Export
Das legendäre Babylon war ein frühes Zentrum der Braukunst und die erste Großmacht im Bierexport. Neben einigen anderen Sorten wurde dort feines weißes, rotes, schwarzes sowie das allererste Premium-Bier hergestellt. Vielleicht war das auch der Grund für die Sprachverwirrung beim Turmbau. Sicher ist jedoch, dass es allgemein äußerst beliebt war – der Export ging bis ins ferne Ägypten.
Trotz dieser bemerkenswerten Sortenvielfalt waren die damaligen Biere nicht klar und blank, wie wir sie heute kennen und schätzen. Man musste sie mit einem Trinkröhrchen konsumieren, um die festen Rückstände nicht in den Mund zu bekommen. Was der Popularität auch in anderen Kulturen der Welt keineswegs abträglich war.
Alle wichtige Zivilisationen beruhen auf einer Getreideart, deren Anbau sich als günstig in der jeweiligen Region erwies. Emmer, Weizen und Gerste im Orient, Roggen und Hirse in Europa. Und überall machte man dieselben Erfahrungen wie die Sumerer mit ihrem vergorenen Brot, sodass sich auch Germanen und Kelten dem Biergenuss hingeben konnten. Auf deutschem Boden taten sie das mindestens seit 800 v. Chr. Davon zeigen Bieramphoren aus der frühen Hallstattzeit – sie wurden in der Nähe von Kulmbach gefunden.
400 Verse für Bier
Nach der Edda, dem großen nordischen Epos, blieb der Wein den Göttern vorbehalten, das Bier glücklicherweise den Menschen und der Met den Bewohnern des Totenreiches. Kein Wunder, dass in der finnischen Volksdichtung Kalewala 200 Verse der Erschaffung der Welt gewidmet sind und doppelt so viele dem Bier.
Derart besungen war Bierbrauen in den ersten Jahrhunderten – genau wie Brotbacken – reine Frauensache. Und das ist gut so, denn ihnen verdanken wir wichtige Erkenntnisse. Sie waren es auch, die erstmals Hopfen eingesetzt hatten. Und es war auch Hildegard von Bingen, die als erste eine Abhandlung über den Nutzen von Hopfen schrieb.
Ihre Kollegen nahmen das dankbar auf. Weil die Mönche Lesen und Schreiben konnten, entwickelten sie in ihren Klöstern die Braukunst immer weiter und perfektionierten sie. Mit dem Hopfen als Würze wurde das Bier nicht nur länger haltbar, sondern schmeckte auch besser.
Fünf Maß am Tag
In Weihenstephan wurde bereits im 9. Jahrhundert in großen Mengen Bier hergestellt. Sehr zur Freude von Bischof Engelbert von Freising. Der verlieh der Abtei im Jahr 1040 das erste Braurecht und machte sie so zur ältesten Brauerei der Welt.
Doch ursprünglich wollten die Mönche mit dem Bierbrauen nur ein nahrhaftes und wohlschmeckendes Getränk für ihre kargen Mahlzeiten herstellen – und auch um während der Fastenzeit den Frohsinn nicht zu verlieren. Da wurden die Biere gerne auch stärker eingebraut, denn „liquide non frangung ienum“ – „Was flüssig ist, bricht das Fasten nicht.“
Das tägliche Permit für den Bierverzehr jedes Klosterinsassen lag, wie die durchaus gewissenhaften Chronisten berichten, bei stolzen fünf Maß. Das schafft man heute bestenfalls noch auf dem Münchner Oktoberfest.
Sprudelnde Finanzquelle
Mönche tranken jedoch nicht alles selber. Jeder Wanderer und Pilger wurde mit Bier belabt. Und nicht nur die: Wie Pilze schossen Klosterschenken aus dem Boden, die auch über die Strasse verkauften. Was nicht allen gefiel. Den bürgerlichen Gaststätten waren die florierenden Klosterausschänke ein regelrechter Dorn im Auge. Schließlich waren sie eine unliebsame Konkurrenz, denn die Klosterbiere waren besonders gut. Weil darunter aber auch die Steuereinnahmen der Fürsten litten, kam es immer wieder zu Verboten und durchaus auch gewaltsamen Schließungen. Doch erst die Säkularisierung im angehenden 19. Jahrhundert führte den endgültigen Niedergang der Klosterbrauereien herbei.
Stattdessen blühte das Brauhandwerk in den aufstrebenden Städten. Bier wurde zu einem wichtigen Handelsgut und der Bierexport boomte. Bremen entwickelte sich zu einem großen Handelsplatz und belieferte schon um 1300 Holland, England und Skandinavien. Hamburg, als Brauhaus der Hanse, exportierte sogar bis nach Indien.
Der große Braumeister
Natürlich wollten auch Könige am prosperierenden Biermarkt teilhaben – zum Teil auch ganz unmittelbar. Weil bei den Hohenzollern jeder einen anständigen Beruf erlernen musste, entschied sich Friedrich der Große für den einzig wahren: Er lernte Bierbrauer.