Wissen
Das Weihenstephaner Bierkarussell
Schmeckt’s noch?
An Kontrollsystemen mangelt es wirklich nicht. Ringanalysen und Qualitätswettbewerbe gibt es zuhauf. Und doch ist das Weihenstephaner Bierkarussell einzigartig. Denn hier geht das Bier auf Zeitreise: Die Geschmacksstabilität der Biere wird über einen längeren Zeitraum gemessen und mit frischem Bier verglichen.
Die Qualität reicht nur bis zum Brauereitor
Meist werden Biere frisch verkostet. Dabei werden manchmal Proben aus verschiedenen Chargen oder von verschiedenen Brauereien miteinander verglichen. Aber stets frisch ab der Abfüllung. Dass dabei fast alle Biere gut abschneiden und nicht selten das eigene Produkt als besonders hochwertig empfunden wird, ist kein Wunder. Schließlich wird in jeder Brauerei in hohem Maß auf Qualität geachtet. Doch die reicht nur bis zum Brauereitor.
Bier ist allerdings keine Konserve. Es ist eines der natürlichsten Produkte und als solches unterliegt es auch einer natürlichen Alterung.
Wie sich aber das Bier in diesem Alterungsprozess verhält und gerade im Vergleich mit anderen Bierproben abschneidet, wissen leider die wenigsten Brauereien. Dabei wird Bier nur in den seltensten Fällen direkt nach der Abfüllung konsumiert. In der Regel vergehen ein paar Tage, wenn nicht sogar Wochen oder gar Monate, bis sie endlich getrunken werden. Und in dieser Zeit altert das Bier.
Es ist also für die Brauerei durchaus wichtig und von Interesse auch den Verkauf im Blick zu haben und die entsprechenden Mitarbeiter durch Schulungen zu sensibilisieren. Schließlich soll das Bier auch dann noch den eigenen Qualitätskriterien entsprechen, wenn es oft Wochen später vom Kunden geöffnet wird.
Zwischen Bier und Whiskey liegen oft nur ein paar Wochen
Aus diesem Grund gehen die Biere im Weihenstephaner Bierkarussell auf Zeitreise. Und auf Qualitätsreise. Dort geht man der zentralen Frage nach: Schmeckt das Bier noch?
Im Zuge der Alterung verliert das Bier die gewünschten Geschmacksaromen: Die Vollmundigkeit geht verloren, das Hopfenaroma ist perdu und die Ester- und Malzaromen verändern sich. Stattdessen tritt ein harter bitterer Geschmack hervor, der durch die Oxidation von Polyphenolen und Hopfenölen entsteht.
Zeitgleich entwickeln sich ungewünschte Alterungsaromen: Das Bier schmeckt erst nach Beeren, dann nach Pappe, später nach Brot, nach Honig und Karamell und schließlich nach Sherry oder Whiskey. Aber eben nicht mehr nach Bier.
Dabei gilt es gerade bei einem so komplexen Produkt wie Bier die sortentypischen sensorischen Eigenheiten zu bewahren. Die Charakteristika von Pils, Hellem, Dunkel, Schwarzbier, Export und Weißbier müssen möglichst lang erhalten bleiben. Der Handel, das Marketing, der Vertrieb und nicht zuletzt die Konsumenten verlangen immer längere Haltbarkeiten. Doch externe Einflüsse bei der Distribution stehen dem entgegen: Sonne verursacht den sogenannten „Stinktiergeruch“, hohe Temperaturen und Sauerstoff sorgen für eine Verringerung der Geschmacksstabilität, Bewegung und Lagerung lassen das Bier schneller altern.
Geschmacksstabilität ist kein subjektives Empfinden
Eine noch schnellere Alterung wird im Bierkarussell durch Schütteln und Wärme erreicht. Nach der ersten Verkostung und Analyse wird das Bier einen ganzen Tag lang geschüttelt und anschließend vier Tage lang bei 40°C aufbewahrt. Das entspricht etwa einer Alterung von drei bis vier Monaten bei Zimmertemperatur. Im Anschluss wird das Bier erneut verkostet und analysiert. In beiden Untersuchungen vor und nach der forcierten Alterung wird das Bier nach DLG-Schema auf seinen Geschmack getestet. Aber auch der Schaum wird gründlich untersucht – die Ermittlung der Schaumzahl erfolgt nach LG-Foamtester. Und schließlich erfolgt eine Analyse, in der Stammwürzegehalt und Alkoholgehalt, aber auch Ausstoßvergärungsgrad, Rest-Extrakt und pH-Wert geprüft werden. Aus den ermittelten Werten der beiden Verkostungen wird rein rechnerisch eine Differenz gebildet und ergibt einen Wert, der die Geschmacksstabilität des Bieres bestimmt. Je größer die Punktdifferenz zwischen frischem und gealtertem Bier, desto schlechter ist seine Geschmacksstabilität.
Interessant sind diese Erkenntnisse vor allem dann, wenn die Analysen regelmäßig und nicht nur punktuell erfolgen. Deshalb schicken Brauereien jeden Monat Biere aus ihren Produktionschargen ein. Denn sie wissen, dass das Weihenstephaner Bierkarussell die Benchmark in der internationalen Qualitätskontrolle ist.
Und die Konsumenten danken es ihnen.