Aus gutem Grund: das Reinheitsgebot

Das reinste Vergnügen?
Nicht immer

Auf der Burg Stockenfels, hoch über dem Regental auf einem Bergrücken bei Fischbach in der Oberpfalz, büßen allnächtlich die ihre Sünden, die das drittschlimmste Verbrechen in Bayern begangen haben: Nach Mord und Brandstiftung ist dies „Wasser ins Bier schütten“. So will es jedenfalls der Volksmund. Bierpanscher-Walhalla wird die berüchtigte Geisterburg auch deshalb genannt.

Pünktlich um Mitternacht müssen die elenden Malefizianten so viel Wasser aus dem grundlosen Burgbrunnen schöpfen, wie sie in ihrem Erdenleben ins Bier geschüttet und so ihre Gäste betrogen haben. So geht es Nacht für Nacht bis in alle Ewigkeit, denn Bierpanscher finden niemals Ruhe.

Westseite der Kernburg von Stockenfels
(Foto: Msuess, CC BY-SA 3.0)

Bierpanscher waren nicht gerade selten

Früher, im Mittelalter, war zum Brauen nahezu alles recht. Man nahm, was man in die Finger bekommen und irgendwie verarbeiten konnte. Meistens natürlich Brotgetreide, also Gerste, Weizen oder Hafer. Manchmal aber auch Hirse, Bohnen, Erbsen, oder andere stärkehaltige Körner, die sich irgendwie vermälzen ließen. Hopfen war zwar als Würze schon im 8. Jahrhundert bekannt, aber die meisten Brauer schütteten alles mögliche und unmögliche ins Bier, um zu verhindern, dass es sauer wurde. Oder, wenn nötig, um den miserablen Geschmack zu übertünchen. Und das taten sie mit teils absonderlichen Dingen wie Pech, Ochsengalle, Schlangenkraut, harte Eier, Ruß und Kreide. Ein jeder hatte so sein Patentrezept, um sein Bier „trinklich“ zu machen. Was auch immer man darunter verstand.

Wer genügend Geld hatte, besorgte sich sein Bier von weither

Schon früh versuchten die Fürsten, die Qualität der Biere durch Verordnungen zu verbessern. Oder wenigstens das Schlimmste zu verhindern. So entwickelte bereits Kaiser Friedrich Barbarossa einen ausgetüftelten Strafkatalog, „wenn ein Bierschenker schlechtes Bier macht oder ungerechtes Maß gibt“. Die Sanktionen reichten von empfindlichen Geldbußen, bis zum Entzug der Lizenz.

Was nützt ein Erlass ohne die nötige Kontrolle?

Nachdem auch Schwüre und Eide nicht immer garantieren konnten, dass sich alle stets an geltende Gesetze hielten, wurden ab Mitte des 15. Jahrhunderts offizielle Biersachverständige eingesetzt, denen die Kontrolle oblag. Allerdings durften sie nicht mehr als 6 Prüfungen an einem Tag machen und am Vorabend weder Bier, noch Wein, noch sonst etwas trinken, was ihr geschmackliches Urteilsvermögen irgendwie einschränken könnte. Was den Job wiederum nur halb so attraktiv machte.

Und tatsächlich! Es half

Mit dem Erlass des Reinheitsgebotes am 23. April 1516, wurde die Qualität der Biere tatsächlich besser. Über die Zeit folgten weitere Brauverordnungen bis zur Einführung einer zuverlässigen Kontrolle im Jahr 1970 durch wissenschaftlich analytische Verfahren. Ohne die jetzigen immunchemischen Methoden wäre eine umfassende Qualitätskontrolle heute gar nicht machbar.

Freilich kippt heutzutage niemand mehr gesundheitlich bedenkliche Kräuter ins Bier, aber der ökonomische Druck auf Seiten der Industriebrauereien ist enorm. Der Nachweis von Verstößen gegen das Reinheitsgebot in Form von Rohfrucht- oder Enzymzusätzen und Bierstabilisierungsmittel ist nur mit Gelpräzipitations-Technik und hochempfindlichen Radio-Immuno- beziehungsweise Enzym-Immuno-Essays möglich.

Es muss nicht immer Gerste oder Weizen sein

Entscheidend ist bei der Einhaltung des Reinheitsgebotes nach wie vor zwingend der Einsatz der beiden Getreidesorten Gerste bzw. Weizen, obgleich auch andere alternative Rohstoffe, z.B. Urgetreide, physiologisch vollkommen unbedenklich sind.
Insofern sind auch Biere, die außerhalb Deutschlands mit anderen Getreidesorten hergestellt werden, durchaus rein.